Freitag, 7. November 2014

Warum sollte eine Stadt „smart“ werden

„Die Gesamtheit ist mehr als die Summe der Einzelteile“ (Aristoteles)
Der kürzlich stattgefundene VDE-Kongreß zum Thema „Smart City“  in Frankfurt stellte sich der Frage, warum Städte eigentlich schlau werden sollen, obwohl diese doch schon eine Vielzahl schlauer Menschen beherbergen. Denn Wissenschaftler und Ingenieure vermögen mit Informations- und Kommunikationstechnologien heute viel zu tun. Zu bewerten ist dabei, ob alles auch immer getan werden sollte, was machbar erscheint. Mit dem „Machbaren“ verfolgen Unternehmen natürlich auch ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen. Die Deutung zur Ausgestaltung von Smart Cities erfolgt deshalb heute weltweit vorrangig durch große Konzerne, denn sie ringen um Marktanteile auf einem jungen globalen Markt. Insofern wird mit dem Begriff Smart City zuerst die technische Zielstellung adressiert, über den Einsatz innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien intelligente Lösungen für ganz unterschiedliche Bereiche der Stadtentwicklung, wie Infrastruktur, Gebäude, Mobilität, Dienstleistungen und Sicherheit, einzuführen. Dabei werden schon konkrete technische Lösungen mit entsprechenden Standardisierungsanforderungen spezifiziert, während der eigentliche Nutzen für die Stadt oft noch abstrakt beschrieben wird. Deshalb fordern gerade Städtevertreter, das Ziel der Smart City zuerst aus der Sicht des Planungshandelns im veränderten gesellschaftlichen Umfeld zu definieren, um dann die sinnvollen, technlogischen Mittel zu identifizieren, diese in Stadtentwicklungspläne zu integrieren und für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu nutzen. Der technische Begriff der Smartness zur Verknüpfung getrennter Komponenten durch Kommunikation und Software definiert sich dabei sicherlich auf andere Weise als die Smartness unter Ausnutzung der Intelligenz der Community, die sich durch „die zunehmende Beteiligung der Bevölkerung, der Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Industrie, Stadtgesellschaft und Politik im Steuerungs- und Umsetzungsprozess der planerischen Ziele“ [Urban 2.0: Lojewski, Hilmar. Deutscher Städtstag: Smart City definiert sich überall anders. Ausgabe 3, 2014] ausbildet. Die dritte Form der Smartness entsteht durch die intelligente Aufbereitung von Daten in Echtzeit unter der Bezeichnung Smart Data. Hier muss aber sehr kritisch das Verhältnis zwischen privaten Daten sowie von in abgegrenzten Gruppen und in der Öffentlichkeit geteilten Daten im Sinne des Entstehens neuer Dienstleistungen zum Erhalt von Privatheit hinterfragt werden. Die Smart City stellt sich also den Herausforderungen der notwendigen nachhaltigen Stadtentwicklung sowie der Erhöhung des Lebens- und Wirkungskomforts für alle Bürger, für die Wirtschaft und für die Verwaltung unter Ausnutzung von Synergien durch die breite Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte in der Gestaltung der Community sowie die Möglichkeiten das Planungshandeln und die Führung städtischer Prozesse durch IKT-Technologien.
Die Smart City ist gekennzeichnet durch eine neue Vielfalt im Wirken von Beteiligten in verschiedenen Lebensbereichen wie Energie, Mobilität, Gesundheit, Logistik und Sicherheit, aber auch durch die zunehmende Vernetzung dieser Vielfalt. Dies wiederum erzeugt neue Organisationsformen, die heute durch die Ausbildung neuer sozialer Netzwerke, aber auch durch wirtschaftliche Teilhabemodelle (Sharing) gekennzeichnet sind. Daraus folgt eine zunehmende Komplexität, die neue Eigenschaften hervorbringt, Aus der Herausbildung neuer Eigenschaften, die mit dem Begriff Emergenz umfasst werden, resultieren neue Chancen. Die komplexe Gesamtheit bietet der Gesellschaft der Einzelnen mehr als die Summe der Einzelaktivitäten ermöglicht, womit wir wieder beim Ausgangszitat von Aristoteles wären.
Die Ausbildung der zunehmenden Komplexität benötigt zu ihrer Beherrschung mehr Eigenverantwortung und dezentrale Selbstorganisation. Dezentrale Selbstorganisation wiederum erhöht die Bedeutung der Städte in Staatsgebilden. Globalisierung und notwendige Subsidiarität bilden also eine Einheit. In diesem Umfeld benötigen wir die Sicherstellung von Individualität durch Maßnahmen zur Sicherstellung von Privatheit sowie die Erhöhung der Freiheitsgrade des Handelns in der Stadt für mehr Wirkungsmöglichkeiten, um die Akzeptanz für Vernetzung bei den Menschen zu erreichen. Die Smart City schafft eine Art Blutkreislauf und Nervensystem im Organismus Stadt mit Smart Grids als gemeinsames Energie- sowie Informations- und Kommunikationssystem der Einzelnen. Die Smart City muss aber ebenso die Privatheit der Einzelnen als eigenständige Zellen des Organismus sicherstellen.

Leimen, den 07. November 2014, Andreas Kießling

Freitag, 10. Oktober 2014

Energie zyklisch denken (Andreas Kießling, Gunnar Hartmann)

Obwohl die Energiewende in erster Linie einen großen und noch nie dagewesenen Prozess der Umgestaltung einleitet, verbirgt sich hinter dieser sichtbaren Veränderung der Landschaften und Städte ein womöglich noch größerer unsichtbarer Prozess des Umlernens. Die als generell sicher geglaubten Lösungsansätze stellen sich nun als die eigentlichen Probleme heraus. Bestehende Theorien und Werkzeuge als auch Werte werden allmählich ausgewechselt. Hierarchien geraten ins Wanken. Oppositionen weichen sich auf. Der umweltschützende Aktivist wird zum ökologisch denkenden Ökonom. Der Experte wird Teil eines fachübergreifenden Teams. Eine multiple Autorenschaft verändert nun stetig sowohl ihre Sprache als auch die verwendeten Begrifflichkeiten. Das Internet der Dinge ermöglicht neue Formen und Räume der Gemeinschaft und Kommunikation. Untrennbar nehmen wir bisher geglaubte technische Herausforderungen als soziale Chancen wahr. Alles bewegt sich.

http://www.amazon.de/dp/B00O7UK1PI
 
Trotz dieser Unordnung sollten wir optimistisch gestimmt das neue Zeitalter betreten. Anstatt um Standorte und limitierte Rohstoffe zu ringen, ergründen wir fortan standortspezifisch die schier endlosen Möglichkeiten erneuerbarer Energien. Eine Welt der Vielfalt und Unterschiede entfaltet sich. Die Differenzen nehmen zu. Basierend auf einer Kommunikation nicht nur zwischen Menschen, sondern vor allem zwischen Mensch und Umwelt, verlangt diese Welt nach multiplen Übersetzern.

Einerseits ermöglichen technische Übersetzer Gespräche mit der Umwelt. Unter anderem messen Sensoren Veränderungen, so zur Verortung und Koordination von Produktionsabläufen oder zur Messung von Materialkonditionen bestehender Infrastrukturen bis hin zur Erfassung gesundheitsgefährdender Daten unserer Umwelt. Sensoren ermöglichen als Übersetzer somit eine Kommunikation mit den Dingen, die uns umgeben. Dieser stetig anwachsende Informationsaustausch konfrontiert uns mit einer Flut großer Datenmengen (big data) und verlangt nach neuen Wahrnehmungsmodi. Andererseits werden jene Übersetzer benötigt, die nicht nur bereit sind, ihr erlerntes Wissen zu hinterfragen, sondern mehr noch gewillt sind umzulernen. Dieses Buch ist in gewisser Weise das Resultat einer solchen Übersetzungsarbeit. Federführend agiert der Physiker als Theoretiker. Fragend beteiligt sich der Gestalter als Pragmatiker. Viele der anfänglich aufgeworfenen physikalischen als auch technologischen Fragen zur Energieumwandlung konnten nur unzureichend mit fachspezifischen Erklärungen beantwortet werden. Dem Bild muss man in Retrospektive bei der Wissensvermittlung von Sachverhalten eine aktive und gestaltende Rolle zuschreiben. Das Buch entstand also aus der Notwendigkeit, eine Kommunikationslücke zu schließen.

Auslöser war am Anfang ein für alle Seiten äußerst metaphorischer jedoch gleichzeitig extrem produktiver Begriff des Energieorganismus. Ein Organismus steht sinnbildlich für eine komplexe Form eines einzelnen Betriebssystems, das auf Basis energetischer und kommunikativer als auch logistischer Infrastrukturen seine Existenz gewährleistet. In einem Organismus befindet sich alles im Fluss, und wiederum befindet sich jener Organismus im Fluss seiner Umwelt. Obwohl die Gesamtheit der uns zur Verfügung stehenden Energie weder erzeugt noch vernichtet werden kann (Energieerhaltungssatz), befindet sich das, was wir Energie nennen, in einem stetigen Umwandlungsprozess. In diesem Buch setzen wir uns insbesondere mit der Gesetzmäßigkeit von Energieflüssen auseinander, die besagt, dass Energie durch Wirkungen von heißen zu kalten und von konzentrierten zu zerstreuten Zuständen in Erscheinung tritt. Um Energie zu nutzen, suchen wir also die Unterschiede zwischen Zuständen, die Potentialunterschiede als Differenzen. Das Anzapfen jener Umwandlungsprozesse, das heißt, das langzeitige Nutzbarmachen der Energieflüsse für den Menschen, setzt ein Denken in Zyklen voraus. Dieses zyklische Denken ist somit der Gegenstand unserer Publikation.

Mit Hilfe dieses Buches, so hoffen wir, soll einem breiteren Publikum, vor allem jenen, die Gestaltungsprozesse initiieren, koordinieren oder an ihnen beteiligt sind, ein zyklisches Denken im Energieorganismus zugänglich gemacht werden. Jenes Denken trachtet nach langfristigen Gestaltungsstrategien. Sowohl die Gegenstände als auch die Konsequenzen, die sich aus der Gestaltung und den dazu erforderlichen Prozessen ergeben, sind fortan über ihre eigentliche Lebensdauer hinaus zu erfassen. Das vorliegende Buch liefert somit keine Roadmap und ist auch nicht als Handbuch der erneuerbaren Energien zu verstehen. Ganz im Gegenteil. Dieses Buch fordert uns auf, sich von der so sehr geliebten Fiktion, den einen Lösungsansatz zu finden, ein für alle Mal zu verabschieden.

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Smart Energy Community - Splash

Telekom Innovation Laboratories und das European Institute of Technology and Innovation veranstalten gemeinsam ein Smart Energy Community Event  unter der Bezeichnung "“Smart Energy Community – Ideas-Innovations-Industry” am 30. und 31. Oktover in Berlin-Adlershof.
Die Absicht ist, durch das Zusammenbringen der jeweiligen Stakeholder-Gruppen unter Hinzuziehung von Start-Ups, Academia, ThinkTanks und gesellschaftlichen Sichtweisen interessante neue Perspektiven auf eine zuweilen doch etwas festgefahrenen Debatte zu ermöglichen.

Für weitere Informationen und bei Interesse zur Anmeldung nutzen Sie bitte folgenden Link:
http://smartenergycommunity.splashthat.com/?em=187

Der Begriff Smart Energy Community dient der Betonung der Chancen von Smart Cities, Regionen, für die Bürger und vielfältigen Unternehmen.
Denn, obwohl die Energiewende in erster Linie einen großen und noch nie dagewesenen Prozess der Umgestaltung einleitet, verbirgt sich hinter dieser sichtbaren Veränderung der Landschaften und Städte ein womöglich noch größerer unsichtbarer Prozess des Umlernens und der Vervielfältigung der Akteure im Energiesystem mit sich auf neue Pfade begebenden innovativen Unternehmen mit Weitblick.

Samstag, 3. Mai 2014

Warum TISA ein dezentraleres und nachhaltiges Energiesystem mit regionalen Wirtschaftschancen behindert?

Bisherige Versuche, die Demokratie zugunsten der reinen Marktlehre auszubremsen, gab es bei im Geheimen stattfindenden Verhandlungen zwischen EU und USA genug.

Dies betraf die ACTA-Verhandlungen, die unter dem Ziel, die Produktpriraterie zu bekämpfen, ohne demokratische Legitmierung in den Staaten und ohne ausreichende Rechtsklarheit Innovationen behindert und erheblich Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit gehabt hätten. Das EU-Parlament stimmte mit genügend öffentlichem Druck vorerst gegen das Abkommen, aber die Versuche zur Umsetzung laufen weiter.

Es folgten die unverständlichen Kürzel-Verhandlungen TTIP/TAFTA und CETA. Hier wird unter der Überschrift des Abbaus von Handelshindernissen in Geheimverhandlungen zwischen den USA mit Konzernvertretern und der EU-Kommission ein als TTIP bekanntes Freihandelsabkommen erarbeitet. Konkret bedeutet dies, dass Sozial-, Gesundheits- und Öko-Standards der EU herabgesetzt werden. Außerdem werden zwischen EU und USA Investitionsschutzabkommen geschlossen, die Konzernen den Rechtsstatus von Nationalstaaten verleihen. Internationale Konzerne können damit die Gesetzgebung von Staaten aushebeln – auch in Deutschland. Wirtschaft erhält das Primat gegenüber der demokratischen Politik. CETA steht für analoge Verhandlungen zwischen Kanada und der EU. Gegen diese Verhandlungen regt sich intensiver Widerstand und eine erfolgreiche demokratische Einwirkung wie bei ACTA kann erhofft werden.

Nun folgt TISA.
Hier möchte man einerseits die laxen Europäische Kontrollstandards für den Finanzsektor auch auf die USA auszudehnen, wo nach dem Platzen der Lehman-Brothers-Blase erheblich verschärfte Regularien eingeführt wurden.
Weiterhin sollen Rekommunalisierungen nach erfolgten Privatisierungen und Verkäufen an internationale Konzerne verhindert werden. Dies würde insbesondere den Trend zur Dezentralisierung der Energiewirtschaft zwecks Gestaltung von Energiekreisläufen durch vielfältige Akteure verhindern. Nationale Vorschriften für Energiemixe, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu befördern, würden als unzulässige Handelshemmnisse definiert werden, wenn ein Stadtwerk an einen internationalen Konzern verkauft wurde. Gleichzeitig wäre ein kommunaler Rückkauf kaum noch möglich. Die gerade mit der Energiewende verbundene Stärkung der Stadtwerke in einem dezentraleren System würde somit ausgehebelt.
Volksabstimmungen zum Erhalt der kommunalen Wasserwirtschaft werden ebenso unzulässig. Der Betrieb der Wasserinfrastruktur soll an den international günstigsten Anbieter vergeben werden und der Abnehmer wäre den Qualitätsverschlechterungen oder Preiserhöhungen weitestgehend ausgeliefert.
Weiterhin würde TISA den Trend zur internationalen Leiharbeit durch Ausnutzung der weltweiten Lohngefälle befördern. Kommunale Politik ist heute noch bestrebt, regionalen Dienstleistern den Zuschlag zu geben, um regionale Wirtschaftskraft und Wirtschaftskreisläufe zu befördern. Dies würde künftig schwieriger. Globalisierung kann nur erfolgreich sein, wenn Subsidarität gewährleistet ist. Dazu sollte das Motto gelten: „Handle lokal und denke global“. TISA möchte statt dessen vollständig auf Globalisierung ohne Berücksichtigung regionaler Belange setzen. Die heute durch smarte Infrastrukturen erreichbare zunehmende Dezentralisierung mit neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten im nationalen und internationalen Verbund soll durch die auf Zentralisierung setzende Macht weniger Großkonzerne mit TISA zurückgedrängt werden. Nachhaltigkeitsaspekte in Ausschreibungen zu berücksichtigen wird schwieriger.

Freitag, 21. Februar 2014

CHANCEN der ENERGIEWENDE als SCHWUNGRAD für die gesamte WIRTSCHAFT

In der letzten Zeit findet zunehmend eine fast verzweifelte Verteidigung der fossilen und nuklearen Energiewirtschaft in der Richtung statt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien auf einer Lüge der sogenannten Lobby des „Klimaerwärmungsmarktes“ stattfindet. Man spricht gar dramatisch von der „Kirche der globalen Erwärmung“. Dabei gehen die Eiferer vollständig an der wirklichen Stärke der erneuerbaren Energien vorbei. Sie betrachten sich als Kämpfer für den Erhalt alter Wertschöpfungsmechanismen und übersehen vollständig die Möglichkeiten neuer und vielfältig erweiterter Wertschöpfung im Umfeld quasi unbegrenzt und überall vorhandener Ressourcen. 
Die Forderungen für Umgehungsnachhaltigkeit erzeugen natürlich einen starken Druck auf das existierende System aus Kohle-, Uran- und Mineralölwirtschaft. Sie bieten aber bei offener Sichtweise auf das gesellschaftliche Gesamtsystem höchste Chancen für neues ökonomisches Wachstum mit zusätzlichen Wertschöpfungsmöglichkeiten trotz gleichzeitiger Senkung der Ressourcenverbräuche für neue und alte Unternehmen, für die Menschen, die Kommunen und Regionen in Verbindung mit der Stärkung Deutschlands im internationalen Kontext.
Wachstum und Schonung des natürlichen Kapitals der Erde sind kein Gegensatz.
Umgebungsnachhaltigkeit des zukünftigen Energiesystems, verbunden mit neuen Möglichkeiten des ökonomischen Wachstums im unmittelbaren Lebens- und Wirkungsumfeld von Menschen, Unternehmen und Regionen sowie die erforderliche Zugriffssicherheit auf Energie sind untrennbar verbunden.
Daraus resultiert die notwendige Verbindung von CO2-Zielen, erneuerbaren Energien und Ressourceneffizienz bei der Bestimmung der Wege und Mittel zur Transformation des Energiesystems.
Die grundlegende Voraussetzung zur Beherrschung dieser Dreiecksbeziehungen besteht in der medienübergreifenden Flexibilisierung des Energiesystems zwischen Elektrizität, Wärme, Gas und Verkehr sowie in der Verbundenheit von Akzeptanz erzeugender subsidiärer Partizipation vielfältiger Akteure eines dezentraleren Energiesystems mit zentralen Energieressourcen und Transportnetzen im nationalen und europäischen Kontext.
Die Flexibilisierung im Gesamtsystem benötigt dabei sicher auch noch grundlastfähige und flexibel ausgleichende Kraftwerke mit niedriger Umweltbelastung. Dazu sind verbrauchsnahe, flexible und hoch effiziente Kraft-Wärme-gekoppelte Regelkraftwerke, die mit Gas betrieben werden, geeigneter als Kohlekraftwerke mit geringer Flexibilität und hoher Umweltbelastung. Diese Kraftwerke bieten dabei für die Zukunft gleichzeitig die Möglichkeit der weiteren Absenkung des Einsatzes natürlicher Ressourcen, indem wachsende, hohe Windüberschüsse in erneuerbares Gas (inclusive Wasserstoff) zur Energiegewinnung in der gekoppelten Kreislaufwirtschaft von Elektrizität, Gas, Wärme und Verkehr umgewandelt werden können.
Grundlage für Flexibilisierung und Verbundenheit dezentraler und zentraler Systeme sind intelligente Netze, die als Infrastruktur mit einem hohen Grad an Prozessautomatisierung und Interaktionen auf Energiemarktplätzen die zunehmende Industrialisierung der Energiewirtschaft zu einem System vielfältiger Beteiligungen und Interaktion von Prosumenten ermöglichen.
Vielfalt der Energieflüsse, Subsidiarität in Verbindung mit zentralen Ressourcen, Energieeffizienz in allen Bereichen und sich daraus ergebende neue Energiedienstleistungen sowie die notwendige intelligente Infrastruktur sind wirtschaftlicher Motor zur Entfaltung vielfältiger neuer Unternehmensaktivitäten.

Mittwoch, 22. Januar 2014

SCHWUNGRAD DER ENERGIEWENDE

Vielfältig kursiert das Wort ENERGIEWENDE. Doch wodurch ist die Energiewende gezeichnet? Was sind die eigentlichen Treiber, um der Transformation des Energiesystems den notwendigen Schwung zur beständigen Fortbewegung zu verleihen? Nachfolgende Darstellung des Schwungrades der Energiewende dient der Beschreibung eines Prozesses zur erfolgreichen Systemtransformation (Gestaltung frei nach Jim Collins in “Der Weg zu den Besten”, Campus-Verlag, 2011).
Bei der Betrachtung der Anschubfaktoren zur Energiewende stößt man auf die politischen Ziele der EU zur Senkung von CO2, zur Energieeffizienz sowie zum schrittweisen Umstieg auf erneuerbare Energien. Nun stellt sich die Frage, WER auf Basis dieser drei Ziele den Transformationsprozess antreibt. Schnell wird klar, dass dies nur durch eine partizipative, gesamtgesellschaftliche Anstrengung gelingen kann. Der Dreiklang dieser Ziele bot aber gleichzeitig die notwendigen Beteiligungschancen. Vielfältige Initiativen von Bürgern, innovativen Unternehmen – insbesondere auch im Bereich der Informations- und Kommunikations-technologie – sowie in den Städten und Regionen entwickelten sich. Die betrifft den Ausbau der dezentralen Erzeugung, regionale Energiekonzepte als Teil neuer Landschaftsentwicklungsideen und neue Formen der Gebäudegestaltung zur Erhöhung von Energieeffizienz mit dezentralem Energiemanagement. Dies ermöglichte neue Unternehmenskonzepte, neue Arbeitsplätze, regionale Wertschöpfung sowie technologische Entwicklungen mit weltweiter Vorreiterfunktion. Energiewende bedeutet im Kern Vielfalt.

Beim Verständnis dieses Prozesses wird schnell klar, dass die durch den europäischen Energiekommissar Oettinger in das Auge gefasste Änderung der Zielrichtung durch Fokussierung auf das Ziel zur CO2-Senkung bei aller Bedeutung des CO2-Zieles das in Gang gesetzte Schwungrad stoppt. Gibt man die Ziele für erneuerbare Energien und für Energieeffizienz auf, endet die Anschubfunktion zur Entfaltung vielfältiger gesellschaftlicher Kräfte. Kohleverbrennung in Zusammenhang mit unterirdischer Lagerung des Kohlendioxids sowie Kernkraftwerke gewinnen dann wieder zunehmend Bedeutung. Das CO2-Ziel ist aus Sicht einer zentralistisch organisierten Energiewirtschaft mit wenigen Akteuren ausreichend, aber nicht aus Sicht eines dezentralen Energiesystems mit vielfältigen Chancen und Akteuren sowie für Anstrengungen zur Erhöhung der Energieeffizienz. Unter wettbewerblicher Betrachtung zur Entfaltung neuer Märkte, Unternehmen und Technologien, zur Selbstverwirklichung von Bürgern und Städten ist der Vorschlag von Oettinger kontraproduktiv. Ziele für mehr Wettbewerb und Energiegerechtigkeit werden damit verfehlt.

Mit der Erkenntnis, dass die Energiewende zuerst einen gesamtgesellschaftlichen, kulturellen Gestaltungs-prozess auslöst, ergeben sich schnell Antworten auf die Fragestellung, WAS zu tun ist. Die neue Vielfalt, die hierbei notwendige Vernetzung unter Einbeziehung von Prosumenten und neue Organisationsformen führen zur zunehmenden Komplexität des Energiesystems. Deren Beherrschung gelingt erstens durch Flexibilisierung, insbesondere auch durch die Integration von Infrastrukturen für Elektrizität, Gas, Wärme und Mobilität. Dies erfordert aber zweitens die Integration von Erzeugern, Speichern und Verbrauchern, Energiemanagement in Liegenschaften in Interaktion mit Netzen und Märkten, Abstimmung zwischen Netzen sowie zwischen Netzen und Märkten. Die damit entstehenden Massenprozesse und der Austausch kleiner Energiemengen erfordern standardisierte Prozesse sowie die zunehmende Prozessautomatisierung, um kostengünstig in dezentralen Strukturen, insbesondere auch in der Interaktion von Prosumenten, zu wirken.

Es verbleibt die Fragestellung, WIE die Anforderungen zur Unterstützung der gesellschaftlichen Vielfalt zu erfüllen sind. Flexibilität, Systemintegration sowie Prozessautomatisierung benötigen eine geschützte IKT-Infrastruktur als Interaktionsbasis aller Akteure bis zu den Liegenschaften. Grundlage für eine wettbewerbliche, barrierefreie gesellschaftliche Entwicklung ist Interoperabilität, die Standards bei Prozessen, Kommunikation und Sicherheit erfordert. Auf dieser Grundlage entwicklen sich vielfältige, neue Geschäftsmodelle im Energiesystem in Analogie zur Geschäftsmodellentfaltung im Internet. Da mit der Transformation des Energiesystems Neuland betreten wird, sind großflächige Pilotzonen zur Demonstration flexibilisierter und integrierter Systeme notwendig. Diese Zonen zeigen insbesondere, wie der Übergang von einem zentralistisch geführten System zu einem System geteilter Verantwortung mit lokaler und regionaler Interaktion sowie hierarchischer Abstimmung zu gestalten ist, wofür der Begriff eines zellularen Energiesystems steht.

Letztendlich benötigt das zukünftige Energiesystem ein neues Marktdesign, da das aktuelle Design für fossile und nukleare Energieträger errrichtet wurde und erneuerbare Energien nicht zu dieser Gestaltung passen. Die sich entwickelnde Infrastrukturgrundlage, neue Geschäftsmodelle und das neue Marktdesign führen zum ersten Umschwung des Schwungrades der Energiewende. Die sich verändernde gesellschaftiche Basis ist wiederum neuer Anschub für das WER der gesellschaftlichen Kräfte, um das Rad weiter zu beschleunigen.

Damit bildet der gesellschaftliche Rahmen (im Schwungrad der Buchstabe P für Politik) die Grundlage für die kulturelle Veränderung hin zu neuen Energielandschaften (L für Landschaft). Daraus resultierende Anforderungen für neue technologische Grundlagen (T für Technologie) ergeben ein neues ökonomisches Handlungsfeld (E für OEkonomie) zur Gestaltung des sich im Zentrum des Schwungrades befindlichen Energiesystems (E für Energie).
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Donnerstag, 16. Januar 2014

Offener Brief an den EU-Energiekommissar Günther Oettinger

Sehr geehrter Herr Oettinger,

unbestritten sind die Herausforderungen für die zukünftige Gestaltung des Energiesystems in Europa sehr vielfältig und komplex. Insofern verstehe ich Ihre Bemühungen bei der Suche nach Lösungswegen.

Dabei gilt es, das europäische Verbundsystem zu sichern, da es mit seinen ausgleichenden Effekten dazu beiträgt, die Versorgungssicherheit in Europa auf einem sehr hohen Stand zu halten.
Gleichzeitig ist aber Subsidiarität zu gewährleisten, um den von der Kommission selbst ausgerufenen Anspruch zur Entwicklung eines deutlich wettbewerblicheren Energiesystems gerecht zu werden.
Subsidiarität und Verbundenheit führen zum Vorschlag eines Energiesystems mit regionalen Erzeugungs-, Speicherung- und Ausgleichmechanismen im Verbund von Strom, Gas, Wärme und Mobilitätskonzepten sowie der hierarchischen Abstimmung zwischen den Interessen der Liegenschaften, der Verteilungsnetze in Kommunen, den Interessen regionaler Energiekonzepte, aber auch gesamtstaatlicher Interessen sowie europäischer Ansprüche in umfassenden Verbundnetzen.
Europa muss dabei eine Entscheidung treffen. Der Ruf nach neuen Förderungen für Steinkohle- und Kernkraftwerke ist kontraproduktiv zu den Zielen eines nachhaltigen Energiesystems bei hohem wettbewerblichen Anspruch zur Entfaltung vielfältiger wirtschaftlicher Akteure.
Europa wird mit einem gemeinsamen Energiesystem weiterhin erfolgreich sein, wenn es gelingt, die Vielfalt der wirtschaftlichen Chancen zu entwickeln, lokales und regionales Handeln zuzulassen sowie dabei den Rahmen zu schaffen, dass globales Denken für alle Akteure interessant bleibt und zur Verbundenheit führt.
Die Umgestaltung des Energiesystems erfolgt auf dieser Basis auch in bedeutendem Maße von unten nach oben. Ein nur aus zentraler Sicht festgelegtes, starres System führt zu keiner Akzeptanz und verhindert Partizipation breiter Interessengruppen zu Gunsten weniger Akteure.
Die Chance für neue Arbeitsplätze in Europa besteht in der Vielfalt.
In Deutschland wuchs mit dem seit 2010 stark wachsenden Anteil an dezentraler Erzeugung in den Verteilungsnetzen, Netzrückkäufen durch die Gemeinden sowie mit regionalen und lokalen Energiekonzepten in den Bundesländern, den Regionen und Kommunen aber auch bei den Bürgern und Unternehmen in Verbindung mit ihren Liegenschaften die Erkenntnis, dass im Kern auch die Fragestellung zu beantworten ist, wo die Energiewende stattfindet.
Mit dem breiten Engagement für die Energiewende und der damit verbundenen hohen Zustimmungsrate bei der Bevölkerung hat Deutschland die einmalige Chance, in Europa Impulsgeber für den notwendigen Umbau des Energiesystems zu sein.
Mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten einer hohen Beteiligung erhöht sich gleichzeitig die Diversifizierung der Energieangebote zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit gegenüber zentralen, angreifbaren Systemen, die eventuell effizienter im Meer und in Nordafrika Energie gewinnen, aber Vielfalt einschränken.

Mit freundlichen Grüßen,

Andreas Kießling
Deutschland
69181 Leimen