„Die Gesamtheit ist mehr als die Summe der
Einzelteile“ (Aristoteles)
Der kürzlich stattgefundene VDE-Kongreß zum Thema „Smart City“ in Frankfurt stellte sich der Frage, warum
Städte eigentlich schlau werden sollen, obwohl diese doch schon eine Vielzahl
schlauer Menschen beherbergen. Denn Wissenschaftler und Ingenieure vermögen mit
Informations- und Kommunikationstechnologien heute viel zu tun. Zu bewerten ist
dabei, ob alles auch immer getan werden sollte, was machbar erscheint. Mit dem
„Machbaren“ verfolgen Unternehmen natürlich auch ihre eigenen wirtschaftlichen
Interessen. Die Deutung zur Ausgestaltung von Smart Cities erfolgt deshalb heute
weltweit vorrangig durch große Konzerne, denn sie ringen um Marktanteile auf
einem jungen globalen Markt. Insofern wird mit dem Begriff Smart City zuerst
die technische Zielstellung adressiert, über den Einsatz innovativer
Informations- und Kommunikationstechnologien intelligente Lösungen für ganz
unterschiedliche Bereiche der Stadtentwicklung, wie Infrastruktur, Gebäude,
Mobilität, Dienstleistungen und Sicherheit, einzuführen. Dabei werden schon
konkrete technische Lösungen mit entsprechenden Standardisierungsanforderungen
spezifiziert, während der eigentliche Nutzen für die Stadt oft noch abstrakt
beschrieben wird. Deshalb fordern gerade Städtevertreter, das Ziel der Smart
City zuerst aus der Sicht des Planungshandelns im veränderten
gesellschaftlichen Umfeld zu definieren, um dann die sinnvollen, technlogischen
Mittel zu identifizieren, diese in Stadtentwicklungspläne zu integrieren und
für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu nutzen. Der technische Begriff der
Smartness zur Verknüpfung getrennter Komponenten durch Kommunikation und
Software definiert sich dabei sicherlich auf andere Weise als die Smartness unter
Ausnutzung der Intelligenz der Community, die sich durch „die zunehmende
Beteiligung der Bevölkerung, der Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft,
Industrie, Stadtgesellschaft und Politik im Steuerungs- und Umsetzungsprozess
der planerischen Ziele“ [Urban
2.0: Lojewski, Hilmar. Deutscher Städtstag: Smart City definiert sich überall
anders. Ausgabe 3, 2014] ausbildet. Die dritte Form der Smartness entsteht
durch die intelligente Aufbereitung von Daten in Echtzeit unter der
Bezeichnung Smart Data. Hier muss aber sehr kritisch das Verhältnis zwischen
privaten Daten sowie von in abgegrenzten Gruppen und in der Öffentlichkeit
geteilten Daten im Sinne des Entstehens neuer Dienstleistungen zum Erhalt von
Privatheit hinterfragt werden. Die Smart City stellt sich also den
Herausforderungen der notwendigen nachhaltigen Stadtentwicklung sowie der
Erhöhung des Lebens- und Wirkungskomforts für alle Bürger, für die Wirtschaft
und für die Verwaltung unter Ausnutzung von Synergien durch die breite
Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte in der Gestaltung der Community sowie
die Möglichkeiten das Planungshandeln und die Führung städtischer Prozesse
durch IKT-Technologien.
Die Smart City ist gekennzeichnet durch eine neue Vielfalt im Wirken von
Beteiligten in verschiedenen Lebensbereichen wie Energie, Mobilität,
Gesundheit, Logistik und Sicherheit, aber auch durch die zunehmende Vernetzung
dieser Vielfalt. Dies wiederum erzeugt neue Organisationsformen, die heute durch
die Ausbildung neuer sozialer Netzwerke, aber auch durch wirtschaftliche
Teilhabemodelle (Sharing) gekennzeichnet sind. Daraus folgt eine zunehmende
Komplexität, die neue Eigenschaften hervorbringt, Aus der Herausbildung neuer
Eigenschaften, die mit dem Begriff Emergenz umfasst werden, resultieren neue
Chancen. Die komplexe Gesamtheit bietet der Gesellschaft der Einzelnen mehr als
die Summe der Einzelaktivitäten ermöglicht, womit wir wieder beim Ausgangszitat
von Aristoteles wären.
Die Ausbildung der zunehmenden Komplexität benötigt zu ihrer Beherrschung
mehr Eigenverantwortung und dezentrale Selbstorganisation. Dezentrale
Selbstorganisation wiederum erhöht die Bedeutung der Städte in Staatsgebilden.
Globalisierung und notwendige Subsidiarität bilden also eine Einheit. In diesem
Umfeld benötigen wir die Sicherstellung von Individualität durch Maßnahmen zur
Sicherstellung von Privatheit sowie die Erhöhung der Freiheitsgrade des
Handelns in der Stadt für mehr Wirkungsmöglichkeiten, um die Akzeptanz für
Vernetzung bei den Menschen zu erreichen. Die Smart City schafft eine Art
Blutkreislauf und Nervensystem im Organismus Stadt mit Smart Grids als
gemeinsames Energie- sowie Informations- und Kommunikationssystem der
Einzelnen. Die Smart City muss aber ebenso die Privatheit der Einzelnen als
eigenständige Zellen des Organismus sicherstellen.
Leimen, den 07. November 2014, Andreas Kießling
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