Samstag, 19. Januar 2013

Smart Grids – Nicht nur ein Beitrag sondern Säule der Energiewende



Dipl.-Phys. Andreas Kießling, energie@andreas-kiessling.de, 18. Januar 2013
Die globale Situation erfordert die Schonung natürlicher Ressourcen. Daraus resultiert die gesellschaftliche Notwendigkeit zur Transformation des Energiesystems zu Kreisläufen mit höchster Energieeffizienz unter dem Vorrang Erneuerbarer Energien. Die Erschließung aller Potentiale an Erneuerbaren Energien sowie der Systemumbau ist nur bei breiter gesellschaftlicher Akzeptanz umzusetzen. Akzeptanz von Veränderungsprozessen erfordert Transparenz durch Vermittlung von Wissen über Zusammenhänge und wirtschaftliche Chancen für alle Beteiligten. Wissen über Chancen zur Partizipation an der energiewirtschaftlichen Wertschöpfung führt zum Engagement aller gesellschaftlichen Kräfte, interdisziplinärer Zusammenarbeit und gestaltender Kraft.
Dabei sind private und unternehmerische Ziele, kommunale und regionale Energiekonzepte gleichberechtigt in gesamtstaatliche und europäische Anforderungen einzuordnen, um Subsidarität zu gewährleisten und Globalisierung zu ermöglichen. Hohe Versorgungssicherheit wird weder durch zentralisierte Systeme noch durch regionale Egoismen entstehen. Dies bringt wiederum vier grundlegende Herausforderungen mit sich.
Erstens führt die Breite erneuerbarer Energiequellen, deren Wandlung zu Elektrizität, Wärme und Gas sowie die Anwendung im Verkehrssektor, im Wohnbereich, Gewerbe und in Industrie zur Vielfalt neuer Energieflüsse. Zweitens wird die Dezentralität zum Kennzeichen neuer Wertschöpfungschancen in Regionen, in Kommunen sowie bei den Bürgern und Unternehmen, die eine vom Verbrauchsort entfernten Erzeugung mit Windenergie in den Meeren und Sonnenenergie aus der nordafrikanischen Wüste weitgehend unterstützt. Die dritte Herausforderung besteht in der Beherrschung der Volatilität, also des schwankenden Angebotes an Erneuerbaren Energien. Zuletzt, aber nicht als weniger große Aufgabe, ist viertens die Komplexität der Steuerung dezentraler Energiesysteme und vernetzter Energieflüsse zu beherrschen.
Die sich hierbei ergebenden vielfältigen Beteiligungen der Prosumer als Entrepreneurs im energiewirtschaft-lichen Netzwerk, Autonomiebestrebungen und bidirektionale Energieflüsse sind in ein nationales und europäisches Verbundsystem einzuordnen. Die daraus erwachsende Komplexität ist nicht mehr durch eine alleinige Systemverantwortung zu beherrschen. Ein zellulares Steuerungskonzept für Energienetze unterstützt, zentrale und dezentrale Verbundenheit, Abstimmungen zwischen Netzen, regionale Markt- und Netzmechanismen herzustellen sowie Informationssicherheit und Datenschutz im Netz zu gewährleisten.
Die resultierenden Veränderungen betreffen das gesamte Energiesystem sowie alle darin agierenden Akteure. Netzverstärkende Maßnahmen in den Übertragungs- und Verteilungsnetzen zum Transport lastferner Energiekapazitäten sowie zur Beherrschung dezentraler Energieflüsse wechselnder Richtung gehören sicherlich zum Fundus notwendiger Schritte beim Systemumbau. Die Diskussion um den Netzausbau ist aber nicht hinreichend, da dieser Aspekt nur eine Säule der Energiewende ist.
Ein weiterer Aspekt ergibt sich auf Grundlage der neuen Herausforderungen darin, dass vielfältige Flexibilitäten von Energieflüssen zum Ausgleich zwischen Regionen, zwischen Netzbereichen, bei der Energiebilanzierung von Marktakteuren sowie zur Lösung von Netzproblemen benötigt werden. Zu den Mitteln der Flexibilisierung gehören Verbrauchs- und Erzeugungssteuerung, Speicherung sowie Energieimport/-export zwischen den Netzhierarchien aber auch zwischen subsidären Interessen und europäischen Verbundmärkten. Insbesondere wird viertens die Flexibilisierung der Energieflüsse durch integrierte Transportprozesse von Elektrizität, Gas und Wärme in als Polynetze gesteuerten Verbundnetzen erreicht.
Die Erschließung der beschriebenen Flexibilitätsoptionen erfordert jedoch neue Mechanismen im Energiemarkt. Das heutige Marktdesign ist nicht geeignet, den Vorrang Erneuerbarer Energien in wirtschaftlicher Weise abzubilden. Insofern ist das neue Marktdesign als konsistenter Rahmen gesetzlicher Veränderungen und regulatorischer Anpassungen zu gestalten.
Der Integration der Liegenschaften in Markt- und Netzprozesse kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Dies umfasst die Steuerung von Energieerzeugung und Energieeinsatz, die Marktintegration der dezentralen Erzeugungsanlagen sowie drittens die Energieeffizienzsteigerung. Grundlage dafür ist die Verbindung der Energieinfrastruktur und des Energiemarktes mit den Energieflüssen in den Liegenschaften der Netznutzer mittels Informations- und Kommunikationstechnologie. Somit benötigen Markt- und Netzfunktionen ein erweitertes Energieinformationssystem, das gemeinsam mit der heutigen Infrastruktur der Energienetze unter dem Begriff Smart Grid diskutiert wird.
Da diese informationstechnische Infrastruktur nicht für die notwendige Markt- und Netzintegration mehrfach benötigt wird, aber Anreize zur Entwicklung der notwendigen Informationstechnik durch einen Akteur für andere Akteure fehlen, sind Verantwortlichkeiten und die Finanzierungsrahmenbedingungen zu definieren. Im Sinne einer volkswirtschaftlich optimierten Lösung sowie der weiteren Gewährleistung von Versorgungssicherheit und Informationssicherheit in einer vernetzen kritischen Infrastruktur wird die gerichtete Modernisierung der Energienetzeinfrastruktur mit Informations- und Kommunikationstechnologien zu intelligenten Netzen als Smart Grid aus elektrotechnischen und informationstechnischen Bausteinen bis hin zu den Liegenschaften durch den Verteilungsnetzbetreiber empfohlen. Dabei ist diese Infrastruktur beim Aufbau durch einen regulierten Akteur diskriminierungsfrei allen Marktakteuren zur Verfügung zu stellen.
Betont wurde, dass einerseits Smart Grids die elektrotechnische und informationstechnische Infrastruktur für neue Markt- und Netzfunktionen im transformierten Energiesystem abbilden, aber anderseits die notwendige Flexibilisierung der Energieflüsse die Bildung von gemeinsam gesteuerten Polynetzen aus den Medien Elektrizität, Gas und Wärme sowie deren Nutzung im Verkehrssektor und den Liegenschaften erfordert. Insofern entwickeln sich Smart Grids zu umfassenden intelligenten Infrastrukturen als Grundlage für die Entwicklung der intelligenten Stadt der Zukunft. Regionalen Netzbetreibern eröffnen sich damit neue Chancen bei der Gestaltung von Smart Grids als Lebensadern zukünftiger Smart Cities.
Der weltweite Prozess der Urbanisierung sowie die Anstrengungen zu höherer Energieeffizienz und Ressourcenschonung bietet Deutschland als Exportland bedeutende Chancen bei der Erlangung der weltweiten Vorreiterrolle auf dem neuen Technologiegebiet Smart Grids und damit in der Sicherstellung der wirtschaftlichen Stärke durch Konzentration auf ein für die Zukunft entscheidendes Betätigungsfeld.
Die Energiewende sowie der dafür notwendige Aufbau von Smart Grids als wichtige Säule kann aber nur durch kohärente Gestaltung des energiewirtschaftlichen und regulatorischen Rahmens zum Marktdesign für Flexibilitäten, regionalen Mechanismen in Verbundmärkten, zur Definition neuer Prozesse mit standardisierter Kommunikation, zu neuer Technologieausstattung, zu Informationssicherheit und Datenschutz sowie zur Verantwortung für die Infrastrukturentwicklung von Smart Grids gelingen.
Smart Grids stellen die intelligente Energieinfrastruktur für regionale Beteiligung und überregionale Verbundenheit im effizienten und integrierten Energiesystem auf Grundlage Erneuerbarer Energien dar.