Freitag, 7. November 2014

Warum sollte eine Stadt „smart“ werden

„Die Gesamtheit ist mehr als die Summe der Einzelteile“ (Aristoteles)
Der kürzlich stattgefundene VDE-Kongreß zum Thema „Smart City“  in Frankfurt stellte sich der Frage, warum Städte eigentlich schlau werden sollen, obwohl diese doch schon eine Vielzahl schlauer Menschen beherbergen. Denn Wissenschaftler und Ingenieure vermögen mit Informations- und Kommunikationstechnologien heute viel zu tun. Zu bewerten ist dabei, ob alles auch immer getan werden sollte, was machbar erscheint. Mit dem „Machbaren“ verfolgen Unternehmen natürlich auch ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen. Die Deutung zur Ausgestaltung von Smart Cities erfolgt deshalb heute weltweit vorrangig durch große Konzerne, denn sie ringen um Marktanteile auf einem jungen globalen Markt. Insofern wird mit dem Begriff Smart City zuerst die technische Zielstellung adressiert, über den Einsatz innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien intelligente Lösungen für ganz unterschiedliche Bereiche der Stadtentwicklung, wie Infrastruktur, Gebäude, Mobilität, Dienstleistungen und Sicherheit, einzuführen. Dabei werden schon konkrete technische Lösungen mit entsprechenden Standardisierungsanforderungen spezifiziert, während der eigentliche Nutzen für die Stadt oft noch abstrakt beschrieben wird. Deshalb fordern gerade Städtevertreter, das Ziel der Smart City zuerst aus der Sicht des Planungshandelns im veränderten gesellschaftlichen Umfeld zu definieren, um dann die sinnvollen, technlogischen Mittel zu identifizieren, diese in Stadtentwicklungspläne zu integrieren und für eine nachhaltige Stadtentwicklung zu nutzen. Der technische Begriff der Smartness zur Verknüpfung getrennter Komponenten durch Kommunikation und Software definiert sich dabei sicherlich auf andere Weise als die Smartness unter Ausnutzung der Intelligenz der Community, die sich durch „die zunehmende Beteiligung der Bevölkerung, der Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Industrie, Stadtgesellschaft und Politik im Steuerungs- und Umsetzungsprozess der planerischen Ziele“ [Urban 2.0: Lojewski, Hilmar. Deutscher Städtstag: Smart City definiert sich überall anders. Ausgabe 3, 2014] ausbildet. Die dritte Form der Smartness entsteht durch die intelligente Aufbereitung von Daten in Echtzeit unter der Bezeichnung Smart Data. Hier muss aber sehr kritisch das Verhältnis zwischen privaten Daten sowie von in abgegrenzten Gruppen und in der Öffentlichkeit geteilten Daten im Sinne des Entstehens neuer Dienstleistungen zum Erhalt von Privatheit hinterfragt werden. Die Smart City stellt sich also den Herausforderungen der notwendigen nachhaltigen Stadtentwicklung sowie der Erhöhung des Lebens- und Wirkungskomforts für alle Bürger, für die Wirtschaft und für die Verwaltung unter Ausnutzung von Synergien durch die breite Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte in der Gestaltung der Community sowie die Möglichkeiten das Planungshandeln und die Führung städtischer Prozesse durch IKT-Technologien.
Die Smart City ist gekennzeichnet durch eine neue Vielfalt im Wirken von Beteiligten in verschiedenen Lebensbereichen wie Energie, Mobilität, Gesundheit, Logistik und Sicherheit, aber auch durch die zunehmende Vernetzung dieser Vielfalt. Dies wiederum erzeugt neue Organisationsformen, die heute durch die Ausbildung neuer sozialer Netzwerke, aber auch durch wirtschaftliche Teilhabemodelle (Sharing) gekennzeichnet sind. Daraus folgt eine zunehmende Komplexität, die neue Eigenschaften hervorbringt, Aus der Herausbildung neuer Eigenschaften, die mit dem Begriff Emergenz umfasst werden, resultieren neue Chancen. Die komplexe Gesamtheit bietet der Gesellschaft der Einzelnen mehr als die Summe der Einzelaktivitäten ermöglicht, womit wir wieder beim Ausgangszitat von Aristoteles wären.
Die Ausbildung der zunehmenden Komplexität benötigt zu ihrer Beherrschung mehr Eigenverantwortung und dezentrale Selbstorganisation. Dezentrale Selbstorganisation wiederum erhöht die Bedeutung der Städte in Staatsgebilden. Globalisierung und notwendige Subsidiarität bilden also eine Einheit. In diesem Umfeld benötigen wir die Sicherstellung von Individualität durch Maßnahmen zur Sicherstellung von Privatheit sowie die Erhöhung der Freiheitsgrade des Handelns in der Stadt für mehr Wirkungsmöglichkeiten, um die Akzeptanz für Vernetzung bei den Menschen zu erreichen. Die Smart City schafft eine Art Blutkreislauf und Nervensystem im Organismus Stadt mit Smart Grids als gemeinsames Energie- sowie Informations- und Kommunikationssystem der Einzelnen. Die Smart City muss aber ebenso die Privatheit der Einzelnen als eigenständige Zellen des Organismus sicherstellen.

Leimen, den 07. November 2014, Andreas Kießling