Donnerstag, 16. Januar 2014

Offener Brief an den EU-Energiekommissar Günther Oettinger

Sehr geehrter Herr Oettinger,

unbestritten sind die Herausforderungen für die zukünftige Gestaltung des Energiesystems in Europa sehr vielfältig und komplex. Insofern verstehe ich Ihre Bemühungen bei der Suche nach Lösungswegen.

Dabei gilt es, das europäische Verbundsystem zu sichern, da es mit seinen ausgleichenden Effekten dazu beiträgt, die Versorgungssicherheit in Europa auf einem sehr hohen Stand zu halten.
Gleichzeitig ist aber Subsidiarität zu gewährleisten, um den von der Kommission selbst ausgerufenen Anspruch zur Entwicklung eines deutlich wettbewerblicheren Energiesystems gerecht zu werden.
Subsidiarität und Verbundenheit führen zum Vorschlag eines Energiesystems mit regionalen Erzeugungs-, Speicherung- und Ausgleichmechanismen im Verbund von Strom, Gas, Wärme und Mobilitätskonzepten sowie der hierarchischen Abstimmung zwischen den Interessen der Liegenschaften, der Verteilungsnetze in Kommunen, den Interessen regionaler Energiekonzepte, aber auch gesamtstaatlicher Interessen sowie europäischer Ansprüche in umfassenden Verbundnetzen.
Europa muss dabei eine Entscheidung treffen. Der Ruf nach neuen Förderungen für Steinkohle- und Kernkraftwerke ist kontraproduktiv zu den Zielen eines nachhaltigen Energiesystems bei hohem wettbewerblichen Anspruch zur Entfaltung vielfältiger wirtschaftlicher Akteure.
Europa wird mit einem gemeinsamen Energiesystem weiterhin erfolgreich sein, wenn es gelingt, die Vielfalt der wirtschaftlichen Chancen zu entwickeln, lokales und regionales Handeln zuzulassen sowie dabei den Rahmen zu schaffen, dass globales Denken für alle Akteure interessant bleibt und zur Verbundenheit führt.
Die Umgestaltung des Energiesystems erfolgt auf dieser Basis auch in bedeutendem Maße von unten nach oben. Ein nur aus zentraler Sicht festgelegtes, starres System führt zu keiner Akzeptanz und verhindert Partizipation breiter Interessengruppen zu Gunsten weniger Akteure.
Die Chance für neue Arbeitsplätze in Europa besteht in der Vielfalt.
In Deutschland wuchs mit dem seit 2010 stark wachsenden Anteil an dezentraler Erzeugung in den Verteilungsnetzen, Netzrückkäufen durch die Gemeinden sowie mit regionalen und lokalen Energiekonzepten in den Bundesländern, den Regionen und Kommunen aber auch bei den Bürgern und Unternehmen in Verbindung mit ihren Liegenschaften die Erkenntnis, dass im Kern auch die Fragestellung zu beantworten ist, wo die Energiewende stattfindet.
Mit dem breiten Engagement für die Energiewende und der damit verbundenen hohen Zustimmungsrate bei der Bevölkerung hat Deutschland die einmalige Chance, in Europa Impulsgeber für den notwendigen Umbau des Energiesystems zu sein.
Mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten einer hohen Beteiligung erhöht sich gleichzeitig die Diversifizierung der Energieangebote zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit gegenüber zentralen, angreifbaren Systemen, die eventuell effizienter im Meer und in Nordafrika Energie gewinnen, aber Vielfalt einschränken.

Mit freundlichen Grüßen,

Andreas Kießling
Deutschland
69181 Leimen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen