Naturstromspeicher Gaildorf: © Max Bögl Wind AG. 2017
Dezentralität, Partizipation
und Flexibilität durch
Sektorenkopplung – grundlegende Merkmale der Energiewende finden ihre
Realisierung im Naturstromspeicher Gaildorf.
Südlich von Schwäbisch
Hall ragen bei Gaildorf auf einem Gebirgszug der Limpurger Berge vier
Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 178 m aus der Landschaft. Bei einem
Rotordurchmesser von 137 m hält eine der vier Anlagen seit Herbst 2017 den
Höhenweltrekord von 246,5 Meter. Die
Maximalleistung von 13,6 Megawatt in der Summe aller Anlagen gekoppelt mit
einem Pumpspeicherkraftwerk von 16 Megawatt Leistung ermöglicht die Produktion
von bis zu 42 Gigawattstunden, ausreichend für eine Stadt mit 10.000 Vierpersonenhaushalten.
Die Anlagen können im Falle externer Netzausfälle die Region als autonome
Energiezelle bis zu vier Stunden mit Strom versorgen. Dieser Weg der Gestaltung
lokaler Energiekreisläufe – Dezentralität
- befördert eigene Gestaltungsmöglichkeiten der Region und lokale
Wertschöpfung. Die Beteiligung an den Möglichkeiten Erneuerbarer Energien – Partizipation – schafft Akzeptanz für
die Energiewende. Diese These wird vom Projekt Naturstromspeicher Gailberg gestützt. Vor dem Start des Vorhabens
wurden die Bürger erfolgreich um ihre Zustimmung gebeten. Natürlich gibt es
auch längere Phasen, in denen der Wind nur schwach weht oder Windstille herrscht,
somit die Anlagen auch in der Verbindung mit dem Pumpspeicherkraftwerk nicht
genügend Strom liefern. Insofern bleibt Gaildorf Teil des vernetzten
Energiesystems Deutschlands, bildet eine Zelle
im Energieorganismus, die regional
selbständig agiert und überregional verbunden optimiert.
Die Kopplung der
anscheinend gegenläufigen Zielrichtungen zwischen Regionalität und einem
überregionalen Verbund sowie die schwankende Verfügbarkeit der Erneuerbaren
Energien Wind und Sonne erfordert ein System, das sich ändernden Situationen
elastisch und zeitnah anpassen kann – Flexibilität.
Die den Erfolg der
Energiewende bestimmenden Facetten Dezentralität, Partizipation und
Flexibilität bestimmen die Architektur des Gesamtsystems in Gaildorf, die unter
den Überschriften Naturwärmespeicher, Naturstromspeicher und Naturversorgung
begreifbar wird. Komfortbedürfnisse der Menschen nach Wärme und Nutzenergie auf
Basis von Strom verbinden sich mit einer dafür notwendigen naturverbundenen
Energieversorgung.
Wärmespeicher schaffen
die notwendige Flexibilität einer Energieversorgung auf Basis schwankender
Angebote. Der Naturwärmespeicher verzichtet auf die Errichtung neuer
technischer Wärmespeicher und nutzt stattdessen die Wärmespeicherfähigkeit
von Wasser in Brunnen, Teichen oder Seen je nach Bedarf des jeweiligen
Wärmenutzers. Dezentrale Lösungen basieren auf dem Umfeld beteiligter Nutzer.
Ein vereister Teich wird somit im Winter mit der in ihm gespeicherten Energie
zum Wärmevorrat.
Die besondere
Herausforderung der Energiewende besteht darin, durch Erneuerbare Energien
schwankende Stromangebote mit den Strombedarfen in Haushalten, Gewerbe und
Industrie in Übereinstimmung zu bringen. Stromspeichertechnologien gewinnen somit zunehmend
an Bedeutung. Die innovative und naturverbundene Lösung in Gaildorf besteht
darin, Windenergieanlagen mit dem Pumpspeicherkraftwerk direkt zu verbinden.
Dabei befinden sich die oberen Wasserbecken fast unsichtbar in den Fundamenten
der Windenergieanlagen. Als Unterbecken wird ein natürlicher See im Tal zu Fuße
des Gebirgszuges genutzt. Kurzfristige Schwankungen bei der Stromerzeugung
durch die Windanlagen können somit lokal ausgeglichen werden, um weite
Transporte elektrischer Energie über die Stromnetze soweit wie möglich durch
dezentrale, flexible Handlungsmöglichkeiten zu reduzieren.
Zukünftig gewinnt die Sektorenkopplung der für Menschen wichtigsten Endenergieformen
Wärme und Strom zur Schaffung der notwendigen Flexibilität des Energiesystems
zunehmend Bedeutung. Der lokale Energiekreislauf schafft Autonomie sowie damit
regionale Handlungsmöglichkeiten und Wertschöpfung. Eine autonome Region bleibt
mit dem externen, überregionalen Stromsystem verbunden, da dies Grundlage für
Versorgungssicherheit und gegenseitige Unterstützung ist. Aber Ferntransporte
können reduziert werden. Dies wiederum ist ein Beitrag, um den Ausbau
Erneuerbarer Energien zu beschleunigen, ohne im Netzausbau den Engpass zu
finden. In Gaildorf kann eine mögliche Kopplung vom Naturwärmespeicher mit dem
in die natürlichen Gegebenheiten eingeordneten Naturstromspeicher die
Naturversorgung für die Menschen der Region umfassen.
Die für die Bevölkerung von Gaildorf sichtbare Beteiligung an der Energiewende sowie die Naturverbundenheit der Lösung schafft Akzeptanz für die veränderte Gestaltung von Energiekreisläufen.
Andreas Kießling, 09. Februar 2018
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